Nicht der Preis sei der ausschlaggebende Faktor zur Benutzung von Bus und Bahn, rechtfertigt der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) seine für 2020 und 2021 geplante Preiserhöhung für den öffentlichen Nahverkehr in der Region.
Mag sein, aber diese Art Argumentation ist dreist und billig. Wenn also an erster Stelle die Attraktivität des Angebots für die Benutzung des ÖPNV steht, müsste schon längst mehr geschehen sein. Die bloße Feststellung des verbesserungswürdigen Zustandes durch den Tarifbeirat des VRS, in dem CDU, SPD und FDP das Sagen haben, reicht da nicht. Hinsichtlich konkreter Maßnahmen bleibt es leider bei üblicher Ankündigungsrhetorik. Die Preiserhöhung bestraft alle, die den öffentlichen Nahverkehr regelmäßig benutzen. Bei Einzeltickets ist die Durchsetzung eines höheren Preises nämlich kaum mehr gegeben. Dabei wäre es richtig, auch Gelegenheitsfahrer zum Umstieg zu motivieren.
Dazu gehört dann aber mehr: Ein attraktives Angebot mit dichter Taktung, mit verlässlicher Pünktlichkeit, mit verständlichem Tarifsystem und mit guten Übergangsmöglichkeiten zwischen Straßenbahn, Bus, und S-Bahn. Genau bei diesen Punkten ist die Region, insbesondere Köln, gegenüber anderen Großstadtregionen schon früh ins Hintertreffen geraten.
Planungsfehler der 60er/70er Jahre
Zunächst einmal hat unser großer Nachbar das Problem eines Nahverkehrssystems, das von Beginn an an falsch angelegt wurde. Schon beim U-Bahn-Bau, in Köln besser als Untergrund-Straßenbahn zu bezeichnen, wurde trotz des zu erwartenden Anwachsens der Einwohnerzahl auf über eine Million unzureichend vorausgeschaut. Andere Städte waren zu diesem Zeitpunkt weiter. Mehrere Straßenbahnlinien, die sich durch ihre in den Vororten parallel zum Individualverkehr laufenden Gleisen zwangsläufig immer wieder Verspätungen einfangen, werden in der Stadtmitte auf einem einzigen Gleis unter dem Hauptbahnhof geführt. Dadurch gerät die Taktfolge durcheinander, mit negativen Folgen für die Anbindung des Umlandes. Hinzukommen die wegen der geringen Kapazitäten der Straßenbahnen verlängerten Wartezeiten an den Bahnsteigen. Türen werden blockiert. Es gibt zusätzliche Verzögerungen.
Die Fehlplanungen der 60er/70er-Jahre sind mittelfristig kaum zu beheben. Die KVB und der VRS scheinen sich damit abgefunden zu haben. Beide gaben zu, dass eine stärkere Inanspruchnahme des ÖPNV nicht zu bewältigen wäre. So bleibt die Preiserhöhung im Grunde ein beliebtes Mittel zur Steuerung der Zahl der Kunden und zur Erhöhung der Einnahmen ohne Gegenleistung. Und das in einer Zeit, in der von den Bürgern Klimaschutz als eines der dringendsten politischen Ziele angesehen wird.
Die verfehlte Verkehrsplanung in Köln lässt sich nicht mehr rückabwickeln. Es kommt aber hinzu, dass selbst machbare Korrekturen nur langsam vorankommen. Ein Lichtblick ist die vom Rheinisch Bergischen Kreis initiierte Taktverdichtung. Insbesondere der Benutzerzuwachs bei der Buslinie 434, die die Straßenbahnlinie 4 in Dünnwald anschließt, zeigt, dass Verbesserungen dankbar angenommen werden. Dennoch gibt es hinsichtlich der Systemanschlüsse weiter Probleme. Wünschenswert wäre beispielsweise eine direkte Busverbindung von Schildgen zum S-Bahnhof Köln-Dellbrück.
Auch beim Tarifsystem des Verkehrsverbundes gibt es Korrekturbedarf. Will man von Katterbach/Torringen nach Herkenrath-Braunsberg (beide Haltestellen in Bergisch Gladbach), gibt es tagsüber jede 20 Minuten eine Busverbindung. Das ist gut und die verbesserte Taktfolge der Buslinien im Kreis ist sehr zu begrüßen. Warum aber zahlt man für die genannte Strecke unterschiedliche Preise, nur weil man bei der Verbindung über Spitze die Stadtgrenze ein paar Meter überschreitet, um dann wieder in Bergisch Gladbach einzufahren? Es wäre sinnvoll, Tarifzonen an den jeweiligen Stadt- oder Gemeindegrenzen beiden Kommunen zuzuordnen, also Übergangszonen zu schaffen.
Mobilitätskonzept verstaubt in der Schublade
Man könnte meinen, Bergisch Gladbach habe die Verkehrsprobleme erkannt, als der Rat der Stadt 2016 ein Mobilitätskonzept beschlossen hat. Ziel: Reduzierung des Individualverkehrs, Steigerung des Fuß-, Rad- und Öffentlichen Nahverkehrs. Erfreulich: In der Bestandsaufnahme greift das Konzept immerhin einige Missstände auf. Das war es dann aber auch. Seit 2016 ist nicht allzu viel geschehen. Es fehlt an konkreten Umsetzungsmaßnahmen und an der Beseitigung von Mängeln. Wenig wurde bislang in Angriff genommen. Das gilt ganz besonders für den Fahrradverkehr, der 2030 knapp ein Fünftel des Verkehrsaufkommen in Bergisch Gladbach ausmachen soll. Wie soll das gehen?
Seit dem Ratsbeschluss sind bereits vier Jahre vergangen und nur 10 Jahre bleiben noch Zeit zur Realisierung des Konzeptes. Das wird kaum reichen, insbesondere nicht vor dem Hintergrund der Finanzlage der Stadt.
Bewertung
Kommen wir auf den Nahverkehr zurück: Isolierte Preiserhöhungen ohne weitere, die Attraktivität des ÖPNV fördernde Maßnahmen sind allenfalls nützlich für die Verminderung des Defizits im städtischen Haushalt. Das mögen einige begrüßen, der notwendigen Verkehrswende kommt man dabei aber keinen Schritt näher.