Am 8. Juni 2022 hat der Planungsausschuss des Rates der Stadt Bergisch Gladbach die Öffentlichkeitsbeteiligung für den Entwurf zum Handlungskonzept Wohnen beschlossen. Im Sommer soll das Konzept für 30 Tage offengelegt werden.
Die FWG Bergisch Gladbach ruft Bürgerinnen und Bürger auf, sich daran zu beteiligen.

Zanders-Gelände nutzen statt Grünflächen zuzubauen

Die FWG hält es für eine wichtige Aufgabe, geförderten Wohnraum für einkommensschwache Haushalte (insbesondere Alleinerziehende mit Kindern) bereit zu stellen. Der Verlust von gefördertem Wohnraum durch das Ablaufen der Mietbindungen muss durch den Bau neuer Wohnungen ersetzt werden. Bis 2035 sollen in unserer Stadt 800 geförderte Wohnungen neu gebaut werden. Dafür wird eine Quote von 30 Prozent gefördertem Wohnungen bei der Neuaufstellung von Bebauungsplänen gefordert. Das bedeutet, dass 2.700 Wohnungen über neue Bebauungspläne gebaut werden müssen. Diesem Punkt können wir uns anschließen.

Fehlende Siedlungsflächen falsch berechnet

Die im Handlungskonzept geforderten neuen Siedlungsflächen beruhen aber auf den gleichen falschen Berechnungen wie schon bei der Aufstellung des Flächennutzungsplanes (FNP) 2019 und sind abzulehnen. Wir setzen uns somit weiterhin dafür ein, das Zanders-Gelände als Siedlungsgebiet zu nutzen, um weiteren Flächenverbrauch zu stoppen.

Abbruch von Häusern der Märchensiedlung

Zusätzlich zu den oben genannten 2.700 Wohnungen sind 1.760 Wohnungen als sogenannte Ersatzreserve vorgesehen.
Dazu muss man wissen, dass etwa 0,2 Prozent des aktuellen Wohnungsbestands  jährlich abgerissen wird. Das Handlungskonzept geht nun davon aus, dass dadurch ein Ersatzbedarf entsteht, der in neuen Siedlungsgebieten gedeckt werden muss. Das sind zusätzlich 1.760 Wohnungen, die in neuen Siedlungsgebieten bis 2035 gebaut werden müssen. Je nach Bauweise wird dafür ein Bedarf von 30 bis 53 Hektar abgeleitet. Dem widersprechen wir. Eine solche Planung orientiert sich nicht an der Realität. Wir kennen das alle: Ein abgerissene Haus wird möglichst bald durch eine möglichst große Immobilie ersetzt. Oft entsteht ein Mehrfamilienhaus dort, wo sich vorher nur ein Einfamilienhaus befand. Allein dadurch werden wesentlich mehr Wohneinheiten geschaffen als vorher bestanden haben. Die von der Verwaltung vorgelegte Berechnung von Ersatzflächen führt somit zu einem fehlberechneten Bedarf neuer Siedlungsflächen.

Innenstadt-Wohnen mit S-Bahn-Anschluss

Das Handlungskonzept widerspricht dem Grundsatzbeschluss zum Climate Emergency

Im Handlungskonzept wird als oberste Ziel gefordert, einer Verschärfung auf dem Wohnungsmarkt im Sinne einer am Allgemeinwohl orientierten Entwicklung entgegenzuwirken. Was heißt das? Weiterhin Bauen auf der grünen Wiese?
Dies widerspricht dem Grundsatzbeschluss des Climate Emergency. Die Stadt Bergisch Gladbach hat nämlich auch die Eindämmung des Klimawandels und seiner schwerwiegenden Folgen als Aufgabe von höchster Priorität anerkannt. Das wiederum bedeutet aber das Unterbinden von Flächenfraß und das Schützen von klimatisch relevanten Frei- und Naturflächen.

Hitzebelastung begrenzen

Am 1. Juli 22 meldete die Tagesschau, dass in den drei Sommern 2018 bis 2020 in Deutschland mehr als 19.000 Menschen aufgrund der Hitze gestorben sind. Es darf als unstrittig angesehen werden, dass Grünflächen in den Städten wesentlich dazu beitragen, die für die Menschen gesundheitsgefährdenden Temperaturen abzumildern. Sie zuzubauen wäre kontraproduktiv.

Starkregen

Uns allen ist der Starkregen von letztem Jahr in Erinnerung. Wir können solche Ereignisse kaum beeinflussen, wohl aber den dadurch entstehenden Schaden durch Vorsorge verhindern oder mindestens mindern. Je mehr Wasser der Boden aufnehmen kann (Schwammstadt), desto weniger Wasser gelangt in die Kanalisation oder direkt in Bäche und Flüsse.  Werden Grünflächen versiegelt, kann das Wasser eben nicht mehr zurückgehalten werden (auch begrünte Dächer können das nicht ausgleichen). Starkregenereignisse werden in der Zukunft häufiger vorkommen. Ein weiterer Grund, die Freiflächen in unserer Stadt zu schützen.

Verkehr

Mit jedem neuen Siedlungsgebiet nimmt der Verkehr zu. Der Ortsteil Schildgen ist das jüngste Beispiel, wie schwierig es ist, die Verkehrssituation erträglicher zu machen, sowohl hinsichtlich des Lärms als auch der Belastung durch den Durchgangsverkehr. Es ist eine Binsenweisheit, dass gerade in den Außenbezirken neue Wohngebiete automatisch zu mehr motorisiertem Verkehr führen, weil die direkte Anbindung an den Schienenverkehr (S-Bahn oder Straßenbahn) nicht gegeben ist.

Zusammenfassung

Das vorgelegte Handlungskonzept Wohnen ist in seiner Intension, etwas für den Wohnungsbau zu tun, zu begrüßen. Allerdings halten wir das Ausmaß der geforderten Siedlungsflächen auf klimatisch bedeutsamen Frei- und Außenflächen für nicht vertretbar, da genügend andere Möglichkeiten bestehen, Wohnungsbau zu realisieren. Im Handlungskonzept ist eine Abwägung mit den Zielen des Klimaschutzes ist nicht erfolgt. Dies aber sieht das Baugesetzbuch ausdrücklich vor.

So wird zwar § 1 Absatz 5 Baugesetzbuch korrekt zitiert: „Die Bauleitpläne sollen […] eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. […]“. Es wird aber verschwiegen, dass im gleichen Absatz auch steht: „Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung …. gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung fördern…Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.“

Die Verabschiedung des Handlungskonzeptes in der derzeitigen Fassung ohne Würdigung der Klimaziele würde zunächst einmal weiteren Flächenverbrauch bedeuten, der später nicht mehr zu korrigieren ist. Wir bleiben deshalb dabei: Zunächst muss Bergisch Gladbach die einmalige Chance nutzen, das Zanders-Gelände zu einem urbanen Quartier auszubauen, um den Wohnungsbedarf zu befriedigen. Genau das wäre eine angemessene Abwägung der im Baugesetzbuch vorgegebenen Ziele.