Die Freie Wählergemeinschaft Bergisch Gladbach fordert angesichts der Corona-Krise einen Kassensturz und das Setzen klarer Prioritäten bei Investitionen und Maßnahmen. Optimismus bei der Bewältigung der Krise ist richtig, er darf aber die Probleme nicht verdecken. Und auch Brötchentastenaktionismus hilft nicht weiter. Die Kommunen müssen nachhaltig entlastet werden und Bund und Land stehen in der Verantwortung. Es ist das Versäumnis aller in Berlin und Düsseldorf in den letzten Legislaturperioden mitregierenden Parteien, auf die Verbesserung kommunaler Finanzen nicht intensiver hingewirkt zu haben.

Kommunen werden allein gelassen

Die finanzielle Ausstattung der Kommunen ist seit Jahren problematisch, wenn nicht dramatisch. Land und Bund belasten mit ihrer Politik und ihren Gesetzen die Kommunen über Maßen. Die Folgen: Mangelhafte Infrastrukur, Sanierungsstau bei Schulen, hohe Sozialkosten. Hinzukommt ein unguter Wettbewerb um die Einnahmen aus der Gewerbesteuer, der zu Verwerfungen führt. Der eine gewinnt, der andere verliert. Das hat mit gesunder Konkurrenz nichts zu tun. Schon allein aus Gründen der Topografie sind bestimmte Gewerbeansiedlungen nicht in jeder Stadt möglich. Die Corona-Krise muss zum Anlass genommen werden, endlich eine Reform der Gewerbesteuer durchzusetzen, sie möglicherweise ganz abzuschaffen und gleichzeitig die Anteile der Gemeinden an den Bundessteuern zu erhöhen.

Bekanntermaßen ist auch Bergisch Gladbach nicht auf Rosen gebettet. Die Stadt bewegt sich bis 2021 in einem Haushaltssicherungskonzept und will danach einen ausgeglichenen Haushalt aufweisen. 

Das geschieht vor allem mit dem so genannten “Schütt aus – hol zurück – Verfahren”. Dabei überweisen Töchtergesellschaften der Stadt ihre Gewinne und Rücklagen an die Stadt, die diese dann in einem zweiten Schritt an die Gesellschaften zurückzahlt. Durch eine solche legale Buchungsakrobatik wird das Negativergebnis des Haushaltes aufgefangen. Das geht aber nur für eine bestimmte Zeit, denn irgendwann sind die Reserven der Töchter aufgebraucht. Und das könnte schneller kommen als erwartet, denn die Corona-Krise wird die Kommunen in einer bisher nicht dagewesenen Größenordnung belasten.

Enge Haushaltssituation verschärft sich

Bei der Vorlage des aktuellen Haushaltes im Jahr 2018 verkündete der Kämmerer der Stadt Frank Stein, dass nach Auslaufen des „Schütt aus – hol zurück Verfahrens“ die Stunde der Wahrheit unausweichlich komme. Nach 2023 beträgt das Defizit im Haushalt mindestens 25 Mio. Euro, das aufzufangen ist. Nunmehr kommt die Corona-Krise hinzu.

Die Gewerbesteuer wird in diesem Jahr und vielleicht auch noch danach wegbrechen. Zu viele Unternehmen mussten und müssen Umsatzeinbußen möglicherweise bis zur Aufgabe des Betriebes hinnehmen. In Köln rechnet man mit einem Rückgang der Gewerbesteuer von 20 Prozent. In anderen mit Bergisch Gladbach vergleichbaren Städten sogar um bis zu 50 Prozent. Auf Bergisch Gladbach bezogen wären das 10 bis 24 Millionen Euro Mindereinnahmen.

Wenig Stellschrauben

Bleiben also nur die Grundsteuer als beeinflussbare Einnahmegröße, Sparen oder die Aufnahme einer weiteren Hypothek auf die Zukunft. Immerhin hat das Land NRW einen Nachtragshaushalt beschlossen, der 25 Milliarden Euro umfasst. Mit dem Geld sollen Gemeinden in NRW unterstützt werden. Eine Neuverschuldung aber wird dennoch nicht ausbleiben, auch wenn durch Streckung die Folgen bis weit in die Zukunft verschoben werden, mit der Gefahr, irgendwann wieder deutlich höhere Zinsen zahlen zu müssen und nachfolgende Generationen noch mehr zu belasten.

Die Grundsteuer soll nun nach dem Willen des Kämmerers nicht nur nicht erhöht werden, sondern sogar um 100 Hebesatzpunkte gesenkt werden. Wenn das umgesetzt wird, was grundsätzlich zu begrüßen wäre, müsste unter Zugrundelegung der jetzigen Hebesätze eine Gegenfinanzierung von etwa 5 Millionen Euro erfolgen, später mehr, weil ja eine Grundsteuererhöhung schon für die nächsten Haushalte eingeplant war. Dabei sind die detaillierten Auswirkungen der Grundsteuerreform bisher nicht bekannt sind oder öffentlich gemacht worden. 

Zu weiteren Einnahmeverlusten könnte es aber auch im Bereich des Einkommensteueranteils der Stadt kommen. Köln rechnet mit Mindereinnahmen von etwa 14 Prozent. Auf Bergisch Gladbach übertragen wären das rund 10 Millionen Euro. Nicht zu vergessen: Steigende Sozialkosten aufgrund erhöhter Arbeitslosigkeit und dadurch bedingter Kosten (z.B. Wohngeld).

Ein wesentlicher Finanzierungsfaktor für den Haushalt in Bergisch Gladbach sind die Einnahmen aus dem kommunalen Finanzausgleich. Sie betragen 37 Millionen Euro. Auch hier wird aufgrund der Corona-Krise weniger Geld fließen. Bei der Kreisumlage, die den Haushalt Bergisch Gladbachs mit 65 Millionen Euro belastet, ist wahrscheinlich zukünftig wegen des hohen Anteils von Sozialkosten ebenfalls kaum mit einer Reduzierung zu rechnen.

Investitionen bitter nötig, aber wir brauchen Prioritäten

Der Kämmerer kündigt eine Investitionstätigkeit der Stadt im Bereich der Schulen an. Das ist auch bitter nötig. Auch Straßen, Fahrradwege und vieles mehr kosten Geld. Dass investiert werden muss, ist grundsätzlich richtig, insbesondere um den Sanierungsstau aufzulösen und die Wirtschaft nach Corona wieder zu beleben. Die FWG unterstützt dies. Es geht aber auch darum, Prioritäten zu setzen. Dabei sollen die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt mitwirken. Sie werden Wert auf eine gut funktionierende Infra- und Bildungstruktur legen und weniger an städtebaulichen Prestigeobjekten oder unsinnigen Straßengroßbauten interessiert sein. Das ist auch unsere Meinung.