Seit Zerbrechen der Ampelkoalition vor einigen Wochen in Bergisch Gladbach gibt es keine verlässlichen, stabilen Mehrheiten mehr. SPD und Grüne verfügen im Stadtrat über 26 Sitze, die Opposition, bestehend aus CDU, FDP, FWG sowie AFD, Bergische Mitte und einem Einzelratsmitglied, über 29 Stimmen. Hinzukommt die Stimme des Bürgermeisters.

Der FWG könnte damit bei Abstimmungen eine wichtige, unter Umständen entscheidende Rolle spielen.

Wir nehmen diese Situation mit Ruhe und Gelassenheit zur Kenntnis. Für uns wird sich damit aber überhaupt nichts ändern. Als Freie Wählergemeinschaft sind wir unabhängig und eben frei in unseren Entscheidungen. Wir wollen keinem Lager angehören, insbesondere gerade jetzt keinem Koalitionszwang unterliegen.

Jede Entscheidung werden wir zunächst danach beurteilen, ob sie den Bürgerinnen und Bürgern in Bergisch Gladbach zugutekommt. Das abzuschätzen ist manchmal schwierig, weswegen wir bei für die Stadt maßgeblichen Projekten, insbesondere was die Themen Wohnung, Verkehr und Besiedlung betrifft, für Stärkung von Bürgerbeteiligung eintreten. Aber auch da muss man sich im Klaren sein, dass irgendwann Mehrheitsentscheidungen sowohl bei der Bürgerschaft als auch endgültig im Stadtrat fallen und diese auch von den „Unterliegenden“ akzeptiert werden müssen.

Rush-Hour auf der Altenberger-Dom-Straße

Nehmen wir einmal die geplante neue Verkehrsführung in Schildgen: Hier stoßen Interessen der Händlerschaft, der Autofahrer – insbesondere derjenigen, die darauf angewiesen sind – der Radfahrer, der Fußgänger und last but not least der Schulkinder aufeinander.
Man könnte sicherlich alle Gruppen unter einen Hut bringen, wenn die Gegebenheiten der Bebauung entlang der Altenberger-Dom-Straße dies zuließen. Ist aber nicht so und so müssen Kompromisse gefunden werden. Und auch das gehört zum Pflichtenheft guter Bürgerbeteiligung, ist politischer Alltag und ein wesentliches Merkmal unserer Demokratie.

Ein weiteres Beispiel für notwendige, sorgfältige Überlegung und Abwägung sind alle Entscheidungen, die haushaltsrelevant sind, am Ende also den Steuerzahler belasten. So schön zum Beispiel eine künstlerische Beleuchtungsanlage im Steinstraßentunnel Bensberg sein mag, so wichtig ist gleichzeitig die Frage: Können wir uns das leisten? Hat das Priorität? Genügt nicht eine einfache Ausführung der Beleuchtung mit regelmäßiger Wartung? Was hat überhaupt in dieser Stadt Priorität? Ein Straßenbelag mit Granit oder eine Schultoiletten-Reparatur?

Vor solchen Fragen stehen alle Fraktionen im Stadtrat. Wichtig für uns bleibt aber die Freiheit, Entscheidungen mit Vernunft und Blick in die Zukunft zu treffen, wenn man will „mit gesundem Menschenverstand“. Und wichtig ist für uns immer: In welcher Weise belasten wir die zukünftigen Generationen? Das gilt sowohl finanziell in Form überbordender Schuldenpolitik als auch hinsichtlich des Lebensumfeldes, das wir ihnen überlassen.

Zum Letzteren haben wir eine eindeutige Meinung. Wir wollen nicht hinnehmen, dass der Charakter von Bergisch Gladbach sich immer mehr großen Metropolen mit all ihren Problemen gleicht. Die Stadt ist hinsichtlich der bestehenden Infrastruktur nicht geeignet, unbegrenzten Zuzug zu verkraften. Dies würde auch jedwede klimatische Ausgleichsfunktion gegenüber Köln erschweren, ja unmöglich machen.

Natürlich wissen wir auch: Wir brauchen Wohnungen.

Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass allein demografiebedingt in nächster Zeit auch Entspannungstendenzen am Immobilienmarkt eintreten werden, obgleich dem Wirtschaftsraum entlang der Rheinschiene eine gesicherte Zukunft vorausgesagt wird. Es kommt also darauf an, den bestehenden Haus- und Wohnungsbestand mit seinen Grundstücken für neue Bewohner zu ertüchtigen und gleichzeitig den jetzigen Bewohnern für das Alter gute alternative Angebote zu machen. So eine Analyse der Kreissparkasse Köln.

Auf Zanders

Die Entscheidungen zu diesen Themen macht sich die FWG nicht leicht. Wir sehen den Bedarf an Wohnraum und wollen, das 37 ha große Zanders-Gelände dafür  nutzen. Es gibt so viele Beispiele im näheren Umfeld, wie ein modernes Wohnquartier mit Wohnumfeld schonendem Gewerbe auf einer Industriebrache entstehen kann. Ein sich über Jahre dahinziehendes Experimentieren mit Zanders kostet die Stadt viel Geld und hilft Wohnungssuchenden nicht weiter.

Gerade zu Zanders gibt es in Bergisch Gladbach sehr unterschiedliche Vorstellungen, einmal in Richtung möglichst viel Gewerbe, einmal in Richtung urbanes, experimentelles Quartier. Wir wollen einen Mittelweg: Wohnen mit schonendem Gewerbe, Grünflächen und abgesehen vom Erhalt der historischen Gebäude den Mut, auch marode oder für eine Nutzung eingeschränkte Gebäude zu beseitigen.

Wohnungsbau auf ehemaligen Clouth-Gelände in Köln-Nippes

2023 bleibt gerade für uns ein spannendes Jahr. Zu Zanders und zum Handlungskonzept Wohnen werden im Stadtrat wichtige Entscheidungen fallen. Die FWG wird dabei stadtverantwortlich entscheiden. Wir halten die diskutierte Sozialwohnungsquote von 30 Prozent für machbar, gerade jetzt, denn der soziale Wohnungsbau kann Investoren durchaus stabile Renditen liefern, zwar niedriger als im frei finanzierten Wohnungsbau, aber vor dem Hintergrund stark gestiegener Baukosten und Zinsen, stabil und sicher. Diese Erkenntnis wird in letzter Zeit von immer mehr Immobilienfachleuten geteilt.

Wir freuen uns, weiter bei der Entwicklung unserer Stadt mitwirken zu können. Das tun wir mit hohem, ehrenamtlichen Engagement unserer Fraktionsmitglieder und mit Unterstützung der Mitglieder unserer kommunalen Wählergemeinschaft. Wir freuen uns aber auch über jede Anregung aus der Bürgerschaft und geben dabei unsere Zusage, ihre Anregungen aufzugreifen und in den politischen Prozess einzubringen. 

Selbstverständlich freuen wir uns über eine direkte Mitarbeit, die mit einer Mitgliedschaft bei der FWG ermöglicht wird. Wir sagen nach drei Jahren unseres Bestehens: Politische Arbeit lohnt sich.