Bürgerbeteiligung – ein Gebot dieser Zeit
Fast allerorten gibt es das Bedürfnis engagierter Bürgerinnen und Bürger, sich mit ihrer Stimme in die Kommunalpolitik einzubringen. Das ist ein gutes Zeichen für unsere Demokratie und verdient Aufmerksamkeit und Würdigung. Den etablierten Parteien scheinen diese Bestrebungen zunächst einmal suspekt zu sein. Man befürchtet Eingriffe in die repräsentative Demokratie, ja deren Gefährdung. Wenn überhaupt müsse Bürgermitwirkung in kleinen Schritten erprobt werden, bevor man etwa das Schweizer Modell der direkten Beteiligungen auf Deutschland überträgt, heißt es oft. Als Negativbeispiel, das sogar zu einer Spaltung der Gesellschaft geführt habe, wird gern die Brexit-Entscheidung angeführt. So komplexe Fragen wie der Verbleib in der EU könnten nicht mit einem einfachen Ja oder Nein beantwortet werden. Das mag sein. Uns geht es aber um Bürgerengagement in der Kommunalpolitik und da sieht es ganz anders aus. Hier stellen sich die Probleme hautnah dar. Hier ist jeder Bürger unmittelbar von Entscheidungen betroffen, sei es Bauplanung, Erhöhung der Grundsteuer, Öffnungszeiten von Bürgerbüros, Jugend- und Seniorenarbeit und vieles mehr. Und er kennt sich aus.
Bürgerbeteiligung ist sinnvoll, notwendig und möglich
Bürgerbeteiligung ist zunächst einmal lästig. Sie stört eingeübte Abläufe sowohl in der Verwaltung als auch in den Stadträten oder Ratsausschüssen. Die dort zu beratenden Gegenstände sind ohnehin schon kompliziert genug. Ja, das ist richtig, dennoch: Die Eingaben der Bürger zum 2018 beschlossenen Flächennutzungsplan beispielsweise waren von großer Kompetenz, Sach- und Ortskenntnis geprägt. Wir meinen deshalb, dass ein Ausbau von Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene sinnvoll, notwendig und möglich ist. Dafür setzen wir uns ein.
Gemeindeordnung muss ergänzt werden
Selbstverständlich wissen wir, dass die Gemeindeordnung in NRW bereits einige Instrumente der Bürgerbeteiligung vorsieht. Im Wesentlichen sind dies: Bürger-Anregungen und Beschwerden, Einwohneranträge sowie Bürgerbegehren und Bürgerentscheid. Das ist gut, aber nicht ausreichend, weil es sich um jeweils um punktuelle Eingaben zu begrenzten Themen handelt und dies kein permanentes Beteiligungsverfahren der Bürger darstellt. Außerdem sind die Hürden bei Abfassung eines Einwohnerantrag oder Bürgerbegehrens mit nachfolgendem Bürgerentscheid sehr hoch. Darüber hinaus ist das wichtige Thema Bauleitplanung weitgehend ausgenommen.
Nordrhein-Westfalen ist abgesehen von den Vorgaben der Gemeindeordnung im Bereich nachhaltiger Bürgerbeteiligung Entwicklungsland. Und Bergisch Gladbach? Auch da findet sich wenig. Ein echtes Bürgerbeteiligungskonzept existiert nicht. Es gibt nichts, was über die gesetzlichen Vorschriften hinausgeht, es sei denn man würde die Suche eines Namens für ein Einkaufszentrum oder die Diskussion über die Beschriftung einer Kreisdekoration für Bürgerbeteiligung halten. Andere Städte und auch Bundesländer sind da wesentlich weiter.
In Bergisch Gladbach fehlt echter Wille
Bürgerbeteiligung verbleibt in unserer Stadt zumeist auf der Stufe der Information und selbst das noch nicht einmal ausreichend. Bei der Beteiligung zum Flächennutzungsplan wurden zwar die gesetzlichen Grundanforderungen erfüllt, mehr aber auch nicht. Eine echte Auseinandersetzung mit den Eingaben der Bürger unterbleibt. So wurde dem Bündnis der Bürgerinitiativen zum Flächennutzungsplan keine Möglichkeit eingeräumt, seine Sicht der Dinge einmal gegenüber den zuständigen Ratsausschüssen darzustellen, weil aus einer solchen Erlaubnis auch andere Gruppen auf den Plan gerufen würden. Das bringt Verdruss und ist auch in höchstem Maße unklug, weil auf wertvolles KnowHow ortskundiger Bürgerinnen und Bürger verzichtet wird. So blieben 2.300 Bürgereingaben zum Flächennutzungsplan oder 2.000 und mehr Bürgereingaben zur Schloßstraße in Bensberg auf der Strecke. Nun also Bürgerbeteiligung bei der Neustrukturierung von Zanders. Man darf gespannt sein, ob sie einen Neuanfang darstellt. Informationsveranstaltungen und Workshops sind gut, aber sie müssen über eine Alibiveranstaltung hinausgehen.
FWG will Leitfaden für Bürgerbeteiligung
Die FWG will mit Bürgerinnen und Bürgern einen Leitfaden entwickeln, wie ihn andere Städte bereits erfolgreich praktizieren. Er soll die Regelwerk für alle großen Themen der Stadt sein, bei denen die Bürgerschaft einzubinden ist.
Die Stadtverwaltung muss es sich zur Aufgabe machen, über die gesetzlichen Vorschriften hinaus Vorlagen und Abläufe besser in der Öffentlichkeit präsentieren, damit Bürgerinnen und Bürger eine Chance haben zu partizipieren. Insbesondere über Bauplanungen muss frühzeitig informiert werden, einfach und klar. Beteiligung darf nicht erst beginnen, wenn bereits wichtige Weichenstellungen erfolgt sind. So ist es unerträglich, wenn Verwaltungen zum Beispiel mit einem Agglomerationskonzept weitgehend vorentscheiden, wie unsere Region aussehen soll und wie wir hier zukünftig leben. Beteiligung ist eben mehr als reine Information. Beteiligung ist mindestens ein Dialog auf Augenhöhe. Diskussionen müssen ergebnisoffen geführt werden.
Die Diskussionsgrundlagen sind zukünftig neben der Veröffentlichung in den klassischen Medien, die an Bedeutung verlieren, auch online zur Verfügung zu stellen. Das in Bergisch Gladbach angebotene Ratsinformationssystem ist für Bürger unübersichtlich und unzureichend.
Wir fordern generell eine transparente und nachvollziehbare Aufbereitung der wesentlichen kommunalen Fragen und Problemstellungen. Für uns gehört dazu auch eine ehrliche Darstellung der finanziellen Situation der Stadt.
Um ein beliebtes Gegenargument zur Bürgerbeteiligung gleich zu entkräften: Es geht nicht darum, die Kompetenzen der Mandatsträger im Rat und in den Ausschüssen in Frage zu stellen oder gar zu beschneiden. Im Gegenteil: Bürgerbeteiligung unterstützt die Entscheidungsträger. Sie stärkt die Akzeptanz von Entscheidungen. Kurz: Bürgerbeteiligung ist gelebte Demokratie.